Geologie und Erdgeschichte von Deutschland

Deutsche Alpen und Alpenvorland

Faltung und Lagerung der Molasse im Allgäu

Im Rahmen der Alpidische Gebirgsbildung kam es im Tertiär zu Überschiebungsbewegungen der alpinen Decken auf das nördliche Vorland. Dies führte zu einer flexurartigen Absenkung der Europäischen Platte und somit zur Entstehung des Molassebeckens als einer im Querschnitt asymmetrischen Vortiefe, die dem Gebirge nördlich vorgelagert war. Das Molassestadium war ab dem Oligozän erreicht.

Die Vortiefe wurde im Zeitraum von über 25 mio Jahren mit den Abtragungsprodukten der aufsteigenden Alpen und in geringem Maße auch mit Sedimenten vom Nordrand des Beckens gefüllt. Vor allem in Form von Schuttfächern wurden klastische Sedimente aus den aufsteigenden Alpen in das Becken transportiert und dort beckenaxial verfrachtet. Das Ablagerungsmilieu wechselte mehrfach zwischen terrestrisch, brackisch und flachmarin, wobei die Entwicklung im Ost- und Westteil des Beckens etwas unterschiedlich verlief. Da das Vorrücken der alpinen Überschiebungsfront den Bereich größter Absenkung des Molassebeckens sukzessive nach Norden verlagerte, verschob sich mit der Zeit auch die Lage der Beckenachse und damit der Sedimentationsschwerpunkt.

Typisch für viele Molassebecken ist, dass ihre gebirgsnahen Bereiche gegen Ende der Gebirgsbildung noch in die Faltung einbezogen und an den Außenrand des Orogens angegliedert wurden. Dies gilt auch für die alpine Molasse, wo der alpennahe Teil des Molassebeckens noch von der Gebirgsbildung erfasst und gefaltet wurde. Der nach Norden vorrückende Deckenstapel scherte einen Teil der Molasse vom Untergrund ab, stauchte ihn, legte ihn in Falten und schob ihn nach Norden. Dieser allochthone Teil der Molasse wird Faltenmolasse (Subalpine Molasse) genannt und ist in tektonischer Hinsicht noch Bestandteil der Alpen. Zeitlich gehören die in die Faltung einbezogenen Schichten hauptsächlich in die Chatt- und Aquitan-Stufe. Der Deckenvorschub begann gegen Ende der Chatt-Stufe, was bedeutet, dass die Faltung schon stattfand, als weiter nördlich die Sedimentation in das Molassebecken noch andauerte. Hauptphase und Abschluss der tektonischen Bewegungen fand aber im Pliozän statt, als die Auffüllung des Molassebeckens bereits beendet war.

Abb. 1: Konglomerate der Faltenmolasse als Höhenbildner, Gemeinde Seeg (Ostallgäu)

Die morphologische Wirksamkeit der Faltenmolasse im Allgäu ist unterschiedlich. Ihr Ausstrich ist nicht immer in der Landschaft erkennbar, weil die durch die Auflast der alpinen Decken an die Oberfläche geschobenen Schichten durch Erosion vielerorts abgetragen wurden. Dort aber, wo harte Konglomerate in den Muldenkernen der Faltenmolasse anstehen, tritt sie morphologisch in Erscheinung (Abb. 1). Ein deutliches Bild zeigt sich in der Nagelfluhkette im westlichen Allgäu. Dort kann man Berge der Faltenmolasse sogar noch dem Hochgebirge zurechnen

Beckenwärts grenzt die Faltenmolasse, die den deutschen Alpenrand auf einer Länge von mehr als 200 km und einer maximalen Breite von 18 km begleitet, entlang von Störungszonen an die autochthone, weitgehend horizontal liegende Vorlandmolasse (Ungefaltete Molasse). Diese gehört bereits zum Alpenvorland. Abb. 2 zeigt schematisch die Lagerungsverhältnisse von Vorland- und Faltenmolasse am Südrand des Molassebeckens.

Abb. 2: Lagerung von Vorland- und Faltenmolasse am Südrand des Molassebeckens

Den Kontakt von Falten- und Vorlandmolasse bildet im Allgäu die Südrandstörung (SCHOLZ 2016). In diesem Bereich wurden die Schichten der Vorlandmolasse von Schichten der Faltenmolasse keilförmig unterfahren und dadurch hochgebogen (Aufgerichtete Vorlandmolasse), um dann in Richtung Beckeninneres schnell in die horizontale Lage überzugehen. Daher stellt das Molassebecken heute eine schüsselartige Struktur dar. Unter den quartären Lockersedimenten steht die Obere Süßwassermolasse (OSM) an. Untere Süßwassermolasse (USM) und Obere Meeresmolasse (OMM) streichen nur kleinräumig an den aufgebogenen Rändern aus.

Die Faltenmolasse besteht im Allgäu aus einer Abfolge von mehreren, hintereinander gestaffelten Mulden, die etwa parallen zum Verlauf des Alpenrandes angeordnet sind (Abb. 3). Die Mulden sind im Querschnitt unsymmetrisch aufgebaut. Nur ihr Nordflügel ist ausgebildet, während an Auf- bzw. Überschiebungen auf der Südseite bereits die nächste Mulde folgt, so dass eine schuppenartige Anordnung entstanden ist. Die Sattelflanken sind nicht mehr vorhanden.

Abb. 3: Tektonische Gliederung der Faltenmolasse im Allgäu, verändert nach SCHOLZ (2016)

Da die Faltenmolasse in den alpidischen Faltungsprozess einbezogen und gegenüber der Vorlandmolasse herausgehoben wurde, konnte die Erosion hier tiefer liegende, ältere Sedimente freilegen. Im Ausstrichbereich der Faltenmolasse erreichen daher die Untere Meeresmolasse (UMM) und Untere Süßwassermolasse (USM) die Oberfläche, die weiter nördlich im Allgäu unter jüngeren Ablagerungen verborgen liegen. Abb. 4 zeigt einen Aufschluss der Unteren Süßwassermolasse im Ostallgäu.

Abb. 4: Aufschluss mit Konglomeraten der Unteren Süßwassermolasse (USM), Senkelekopf (Ostallgäu)

Die Faltenmolasse setzt sich unter den penninischen und ostalpinen Decken noch einige Zehnerkilometer weiter nach Süden fort (Abb. 2). Durch den Schub der alpinen Decken haben sich diese ursprünglich südlichsten Teile des Molassebeckens vor allem entlang der Tonmergelschichten der UMM von ihrem Untergrund gelöst und sind nach Norden geglitten. Die verbliebenen Reste der Molasse in autochthoner Lage werden auch als Überfahrene Molasse bezeichnet.

Literatur

GEYER, O.F. & GWINNER, M.P. (1991): Geologie von Baden-Württemberg. - 482 S.; Stuttgart

LEMCKE, K. (1988): Das bayerische Alpenvorland vor der Eiszeit. - 175 S.; Stuttgart

SCHOLZ, H. (2016): Bau und Werden der Allgäuer Landschaft. - 354 S.; Stuttgart